Nach Klinik: Übergang soll leichter werden



Ein Rahmenvertrag soll Patienten die erste Zeit nach dem Klinikaufenthalt erleichtern. Doch die Umsetzung gestaltet sich schwierig

Der Bundesrat möchte Patienten den Übergang zur ambulanten Versorgung erleichtern. Doch der neue Gesetzentwurf ist umstritten

Viele Patienten, die das Krankenhaus verlassen, sind noch längst nicht ganz gesund. Sie brauchen häusliche Pflege, etwa nach einem Schlaganfall, benötigen Tabletten, Physiotherapie, Gehhilfen. "Patienten sollten sich nach ihrer Entlassung aber um ihre Genesung kümmern und nicht Anträge bei der Krankenkasse stellen oder Medikamente und Hilfsmittel organisieren müssen", sagt Regina Behrendt von der Verbraucherzentrale NRW.

Deshalb hat der Bundesrat ein Gesetz verabschiedet, das den Übergang zur ambulanten Versorgung erleichtern soll. Im Oktober 2017 trat der zugehörige Rahmenvertrag in Kraft. Nun können Klinikärzte die Therapie nach der Entlassung besser vorbereiten. Anders als bisher dürfen sie jetzt etwa Arbeitsunfähigkeit bescheinigen, Medikamente für die ersten sieben Tage verordnen, ebenso Rehamaßnahmen, Haushaltshilfen oder Hilfsmittel – also Pflegebetten, Rollstühle oder Gehhilfen. Doch es hakt bei der Umsetzung.

"Zunächst einmal ist die Idee hinter einem strukturierten Entlassmanagement absolut positiv", sagt Cindy Stoklossa, zentrale fachliche Leitung des Sozialdiensts an der Charité in Berlin. Allem voran begrüßt sie, dass nun multiprofessionelle Teams aus verschiedenen Blickrichtungen gemeinsam mit den Patienten beurteilen, was diese benötigen. "Aber die neuen Regeln bedeuten einen enormen bürokratischen, logistischen und personellen Aufwand", bemängelt Stoklossa, die auch Personal aus anderen Kliniken in diesem Bereich schult.

Bürokratischer Aufwand mit Folgen

Durch die Zusatzaufgaben stoßen Krankenhäuser häufig an ihre Grenzen. Es braucht zum Beispiel neue Drucker, die für das Ausdrucken von Rezepten geeignet sind. Software- und Verwaltungssysteme müssen entsprechend angepasst werden. Und letztlich bedeutet das Entlassmanagement mit all seinen bürokratischen Fallstricken und Formularen eine Menge Extra­arbeit für Ärzte, Pflegepersonal und Sozialdienste – ohne dass zum Ausgleich mehr Personal zur Verfügung steht.

"Unterm Strich geht da wertvolle Zeit für die Behandlung von Patienten verloren", sagt Dr. Bernd Metzinger, Geschäftsführer des Dezernats für Personalwesen und Krankenhausorga­nisation der Deutschen Krankenhaus­gesellschaft.

Zudem müssen sich Krankenhausärzte plötzlich an dieselben Spielregeln halten wie niedergelassene Ärzte – also etwa wissen, was sie vor dem Hintergrund der Wirtschaftlichkeit überhaupt verschreiben dürfen. "Das ist für die Klinikärzte wie das Erlernen einer Fremdsprache", sagt Dr. Kai Behrens, Pressesprecher des AOK Bundesverbands.

In der Praxis käme es daher zu Fehlern. Falsch ausgefüllte Anträge und Formulare müssen erst einmal wieder zurückgeschickt werden – oder die Patienten stehen mit einem fehlerhaft ausgestellten Rezept in der Apotheke, und der Apotheker darf ihnen ihre Medikamente nicht aushändigen. "Als ich damals meine Facharztausbildung absolvierte, war ein halbes Jahr Vorbereitung auf die Tätigkeit als Kassenarzt vorgesehen – heute sollen Krankenhausärzte das mal eben nebenbei machen", kritisiert auch Metzinger.

Ein unausgereiftes Vorhaben

Er wünscht sich nicht nur mehr Personal für die Kliniken, damit die Mehrarbeit überhaupt zu bewältigen ist, sondern vor allem klarere Abläufe und Regeln. "In vielen Fällen ist noch gar nicht eindeutig geklärt, welche Kosten der Verordnungen von den Krankenkassen übernommen werden und welche nicht", sagt Metzinger. Die Verun­sicherung aufseiten der Klinikärzte ist entsprechend hoch.

"In der Folge verordnen sie lieber zögerlich – aus Angst davor, dass die Krankenkasse die verschriebenen Medikamente oder Heilmittel womöglich nicht übernimmt", kritisiert Verbraucherschützerin Behrendt. Die Möglichkeiten des neuen Gesetzes, die Patienten zu unterstützen, würden daher ­momentan nicht voll ausgeschöpft.

Auch andere Aspekte des neuen Regelwerks sind nicht optimal für die ­­betroffenen Patienten und behindern einen reibungslosen Übergang in die ambulante Versorgung. So dürfen die Rezepte und Verordnungen erst am Entlassungstag ausgestellt werden. "Ein Pflegebett oder eine Haushaltshilfe müssen dann aber schon zur Verfügung stehen und können nicht erst am Entlassungstag organisiert werden, wenn sich der Patient bereits auf dem Heimweg befindet", erläutert Sozialdienstleitung Stoklossa.

Profitable Anschlussversorgung

Hinzu kommt: Häufig sind nicht die Verordnung oder die Kostenerstattung das Problem, sondern die fehlenden Ressourcen. Stoklossa: "Ein Rezept für eine Haushaltshilfe oder Physiotherapie hilft nicht viel, wenn niemand zur Verfügung steht, der diese Aufgabe zeitnah übernehmen kann."

Ginge es nach Stoklossa, erhielte der Rahmenvertrag zum Entlassmanagement eine gründliche Überarbeitung. Unter anderem hofft sie auf eine bessere Anpassung an die Realität im Krankenhausalltag. Zum Beispiel sollen ausschließlich Ärzte die Entlassrezepte ausstellen – und zwar genau am Tag der Entlassung. "Die Ärzte sind aber im Klinikalltag nicht immer auf der Station greifbar, sondern stehen auch mal im OP", so Stoklossa. Angeblich bereitet der Spitzenverband der Krankenkassen derzeit eine Überarbeitung des Entlassmanagements vor.

Verbraucherschützerin Behrendt rät allen Krankenhauspatienten jetzt schon dazu, die Einwilligung zum Entlassmanagement zu unterschreiben und gegebenenfalls danach zu fragen. "Denn auch wenn aktuell noch nicht alles rundläuft – Sie profitieren nach dem Klinikaufenthalt in jedem Fall von einer nahtlosen Anschlussversorgung."

Lesen Sie auch:

10 Tipps zur Vorbereitung aufs Krankenhaus

Vom Auswählen der Klinik bis zur Entlassung: Wie Sie sich für einen Klinikaufenthalt rüsten und welche Fragen Sie vorab stellen sollten

Quelle: Den ganzen Artikel lesen